Präsenz im Online-Training

Ein Kollege berichtete mir neulich von einem Präsenzworkshop. Folgende Situation: Ein Teilnehmer gab ein Statement zu einem Thema ab, und als eine Kollegin darauf antwortete, stand er auf und holte sich einen Kaffee. Der trainierende Kollege machte ihn darauf aufmerksam, dass es sich hierbei eindeutig um eine ablehnende Verhaltensweise handeln würde, das Gegenteil von aktivem Zuhören. Der angesprochene Teilnehmer erwiderte, dass er sehr wohl dem Gespräch folgt, wenn er sich nebenbei einen Kaffee bereitet. Anmerkung: Die Kaffeemaschine stand im Raum.

Meinem Kollegen kann ich nur zustimmen. Aktives empathisches Zuhören verlangt zum Beispiel nach Blickkontakt. Schon diese Grundvoraussetzung wurde von dem besagten Kaffeetrinker nicht erfüllt. Dazu ist das Thema aufstehen, weggehen, während jemand anderes auf meinen Beitrag antwortet, kommunikationspsychologisch nach alter Lesart eindeutig eine ablehnende Verhaltensweise. Mein Kollege hatte das Gefühl, dass diese Verhaltensweisen während Corona noch mehr zugenommen haben.

Menschen übertragen ihr Verhalten aus Online-Meetings auf Präsenzmeetings.

Und das war dann auch ein Thema in dem besagten Workshop.

Wenn Sie an einem Online-Meeting teilnehmen, bei dem Sie eine große Anzahl oder sogar alle Teilnehmenden in der Galerieansicht im Bild sehen, kennen Sie das wahrscheinlich, dass plötzlich jemand aufsteht und sein eigenes Kamerabild verlässt oder gar die Kamera deaktiviert. Das ist schon komisch. Was macht die Person da? Auf jeden Fall ist sie nicht mehr anwesend. Hätten wir vielleicht eine Toilettenpause gebraucht? Online wird das selten thematisiert. Und wenn das die Gewohnheit ist, übertragen Menschen dieses Verhalten auch in Präsenzmeetings.

Spielregeln

Vereinbaren Sie Spielregeln

Das ist in keinem Fall eine Verbesserung der Kommunikation, sondern eher eine Verrohung. Und genau aus diesem Grund ist es wichtig, für Online-Meetings klare Spielregeln zu vereinbaren, die unseren sozialen Standards aus der Live-Präsenzkommunikation entsprechen. Wenn wir diese Spielregeln nicht vereinbaren, provozieren wir unausgesprochene Konflikte. Das macht die Sache nicht besser, sondern eher schlimmer.

Deshalb gilt: Thematisieren Sie diese Situation. Vereinbaren Sie Spielregeln, und gönnen Sie sich diese zum Teil anstrengenden Diskussionen. Sie werden feststellen, dass die Sichtweisen total voneinander abweichen und es eine klare Differenzierung zwischen Generationen gibt oder sozialen Herkünften, Gewohnheiten, Hierarchien. Das ist zunächst weder gut noch schlecht, sondern einfach ein Faktum. Setzen Sie sich damit auseinander und vereinbaren in Ihrer Organisation Spielregeln, die tatsächlich funktionieren und von allen als sinnvoll erachtet werden.

Zum Abschluss noch ein kleiner Hinweis: Spielregeln einmal zu vereinbaren und dann glauben, dass diese immer eingehalten würden, ist vollkommen naiv. Die zehn Gebote gelten angeblich seit dreitausend Jahren und wir verstoßen täglich dagegen. So wird das auch mit Ihren Online-Spielregeln sein.

Aber Sie haben dann wenigstens einen Rahmen, auf den Sie sich berufen können. Sie brauchen dann auch eine Kultur, in der das erlaubt ist.

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