So bereiten Profis ein „Live-Online-Training“ vor

Wenn Präsenzseminare ins Internet verlegt werden, spricht man (fälschlicherweise) in der Regel von „Webinaren“. Wir schlagen den Begriff „Live-Online-Training“ vor, weil so besser klar wird, dass die Interaktivität nicht leiden muss, wenn ein Seminar ins Internet wandert. Dabei kommt es aber sehr auf eine gute Vorbereitung an.

Wenn „live“ neuerdings „online“ geht, gibt es ein paar Restriktionen, dafür aber auch viele Vorteile. Die erste Herausforderung ist das hohe Maß an Interaktivität, das ein Training im Seminarraum auszeichnet. Wenn wir von einem Live-Online-Training sprechen, meinen wir damit die Übersetzung eines typischen Präsenztrainings, zum Beispiel zum Thema Führung mit einer Dauer von normalerweise zwei Tagen, in ein Live-Online-Trainingsformat.

Das ist der große Unterschied zum Webinar: Ein echtes Training sollte eine Teilnehmenden-Interaktivität von 60 bis 80 Prozent haben, eine reine Inhaltsvermittlung hat hier nichts zu suchen. Das gilt online genauso. Deshalb ist es wichtig, Webinare didaktisch ganz klar von Trainings abzugrenzen.

Live Online Trainings

Aus dieser Unterscheidung ergibt sich Folgendes: Ohne Kamerabild und ohne Breakout-Sessions lässt sich ein Live-Online-Training nicht durchführen, es sei denn, die Gruppe wäre so klein, dass eine weitere Unterteilung in Breakout-Räume gar nicht notwendig wäre. Eine zweite Herausforderung liegt in der Rolle der technischen Moderation. Je interaktiver Sie als Trainer arbeiten, umso stärker sind Sie auf die Unterstützung von jemandem angewiesen, der das Tool perfekt beherrscht, für die Gruppeneinteilung zuständig ist, den Chat betreut, die jeweiligen Materialien genau zur richtigen Zeit in den Chat postet oder per E-Mail versendet, beim technischen Troubleshooting unterstützt. Wer glaubt, all diese zusätzlichen Aufgaben neben der Rolle als Trainer zu beherrschen, dem empfehlen wir die Lektüre des Buchs „Multitasking“ vom schwedischen Neurowissenschaftler Torkel Klingberg. Seine Botschaft: Multitasking ist ein Mythos.

Was auf der Autobahn zu Unfällen führt, weil Menschen glauben, bei Tempo 180 nebenbei Whatsapp-Nachrichten beantworten zu können, führt in einer Live-Online-Veranstaltung nicht selten zu merkwürdigen Sprechpausen oder einem wenig intelligenten Blick in die Kamera, weil die betreffende Person gerade mit einem PowerPoint-Problem kämpft.

Wenn Sie Trainer sind, sollten sie darauf achten, die Rolle der oder des technisch Moderierenden sauber von Ihrer eigenen Rolle zu trennen.

Die dritte Herausforderung ist der Faktor Zeit. Was Lernziele, Zielgruppenanalyse und Persona-Design anbelangt, gilt natürlich für das Design von Live-Online-Trainings und damit die Planung und Umsetzung von Online-Learner-Journeys alles, was auch für klassisches Präsenzlernen gilt. Die Besonderheit bei Live-Online-Trainings besteht darin, dass Sie weniger Zeit haben und schneller, fokussierter, klarer sein müssen in Ihren Inputs und Instruktionen. Auch Gruppenübungen und Rollenspiele sind in der Regel deutlich kürzer als in einem typischen Präsenztraining. Eine gründliche Vorbereitung ist daher unerlässlich. Sie brauchen einen Ablauf, der am besten minutengenau designt ist. Ein Tool, das sich dafür eignet, ist „Sessionlab“.

Wie gestalten Trainer ihren virtuellen Raum?

Aus der Trainerperspektive beginnt ein Training meist so: Man reist idealerweise schon am Vorabend am Trainingsort an und bereitet den Raum vor. Das heißt Raumaufstellung prüfen, Material für alle Übungen einräumen, Stühle mit dem Teilnehmenden-Kit bestücken, weiteres Material aufbauen, zum Beispiel entsprechende Hintergründe für einzelne Übungen oder Rollenspiele, Musik für die Begrüßung der Teilnehmenden auswählen. Außerdem checkt man mit dem Hotel noch einmal den genauen Ablauf der Pausen, die Menüauswahl für das Mittagessen.

Auch der virtuelle Raum muss vorbereitet werden: Charts zeichnen, Hintergründe auswählen und in die entsprechende Software hochladen, Material und Anweisungen für Gruppenübungen vorbereiten und bereithalten und auch an die Musik während der Pausenzeiten denken (GEMA nicht vergessen). Deshalb ist ein Live-Online-Training auch nicht weniger aufwendig als ein klassisches Präsenztraining.

Die Vorbereitung ist oft sogar intensiver, und der Technikcheck etwa eine Stunde vor dem Start ist zwingend notwendig.

Technik-Check

Was ist die ideale zeitliche Verteilung des Trainings?

Von einer Eins-zu-eins-Übersetzung eines Präsenztrainings von zum Beispiel zwei Tagen Dauer auf zwei Tage Live-Online-Training raten wir ab. Die aus unserer Sicht optimale Variante lautet, das Zwei-Tage-Training auf viermal vier Stunden aufzuteilen, Teil 1 und 2 jeweils an aufeinanderfolgenden Tagen, Teil 3 und 4 zum Beispiel eine Woche später. Die Bündelung von zweimal vier Stunden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen sorgt für das Gefühl, wirklich an einem Training teilzunehmen.

So bekommen Sie mehr Gruppenatmosphäre, verglichen mit beispielsweise viermal vier Stunden auf insgesamt vier Wochen verteilt. Je interaktiver eine Online-Session wird, umso stärker spielt die Kompetenz der Teilnehmenden eine Rolle – zum Beispiel mit Blick auf das Handling von Breakout Sessions und die Nutzung von Whiteboards.

Die gute alte Regel, sich immer nach dem schwächsten Glied zu richten, ist online kompliziert umzusetzen, da die anderen Teilnehmenden nicht wirklich mitbekommen, welche Person für das Show Stopping verantwortlich ist. Aus diesem Grund müssen Sie in Live-Online-Trainings wohl oder übel manchmal ein paar Teilnehmende zurücklassen.

Insgesamt gilt: Der digitale Reifegrad entscheidet sehr stark über die Geschwindigkeit im Training und muss in der Vorbereitung entsprechend berücksichtigt werden. Im besten Fall machen Sie vorher eine Abfrage der Kompetenzen, die wirklich valide ist.

Welcher didaktische Aufbau ist ratsam?

Ein großer Vorteil von Live-Online-Trainings und der Aufteilung in verschiedene Trainingseinheiten besteht darin, dass sich quasi automatisch eine echte Learner Journey entwickelt. Idealerweise als funktionierender Mix aus Selbstlernen, Lernen in der Gruppe, Live-Online- und E-Learning. Endlich etabliert sich Blended Learning fast wie von allein. Profis haben unterschiedliche Lernformate definiert, aus denen sich in einem mehrstufigen Prozess sehr einfach die passende Learner Journey für ein bestimmtes Projekt ableiten lässt. Das Blended-Learning-Konzept funktioniert mit Live-Online-Trainings oft sehr viel besser als mit Präsenztrainings, weil es keinen Medienbruch gibt. Das komplette Lernen findet online statt.

Ablauf Live Online Training

Es ist für die Teilnehmenden logisch nachvollziehbar und einfach in der Umsetzung, dass sie sich zur Vorbereitung während des Trainings und danach zwischen den einzelnen Phasen online mit den Themen weiterbeschäftigen.

Unserer Erfahrung nach ist die Umsetzungsquote bei solchen Online Journeys deutlich höher. Das hängt natürlich vom Thema und davon ab, ob die Möglichkeit besteht, das Gelernte aus den Bausteinen 1 und 2 in der Zeit bis zu den Bausteinen 3 und 4 auszuprobieren und umzusetzen.

Wie bei anderen Trainingsprogrammen auch, gilt immer: Lernen auf Vorrat ist eher weniger erfolgreich. Besser ist es, wenn die Lernenden eine sofortige Anwendungsmöglichkeit im Alltag und ein persönliches Interesse an der sofortigen Umsetzung haben.

Was ist bei Fachtrainings zu beachten?

Gerade bei Online-Fachtrainings besteht die Tendenz, dass einfach nur Folien vorgelesen werden, so wie in vielen Präsenzseminaren. Da es sich bei den Seminarleitern häufig um fachliche Autoritäten handelt, die keine wirkliche Trainerausbildung haben und die Seminare quasi nebenbei geben, ist die Entwicklung eines wirklich innovativen Live-Online-Trainings gar nicht so einfach. Hier ist es notwendig, ein realistisches Konzept zu entwickeln und dann Schritt für Schritt vorzugehen. Sie starten vielleicht mit einem Webinar-Konzept und bauen nach und nach Gruppenübungen ein. Wir empfehlen, generisch vorzugehen und die externen Fachkräfte nicht zu verschrecken, indem Sie zu viel von ihnen verlangen.

Es hat sich bewährt, zunächst eine Fokusgruppe mit Freiwilligen zu bilden, die auch Lust haben, die Extrameile zu gehen und einen größeren Aufwand bei der Umwandlung ihrer bisherigen Präsenzseminare in Live-Online-Seminare betreiben wollen.

Wie sollte ein Set-up aussehen?

Wenn Sie regelmäßig Live-Online-Trainings durchführen, macht es Sinn, das übliche Set-up deutlich zu erweitern. Schaffen Sie sich ein (kleines) Studio an. Die Ausstattung: zwei Kameras, eine zusätzliche Dokumentenkamera, ein zusätzlich angeschlossenes iPad, zwei PCs, Greenscreen, Flipchart, Hintergrundbeleuchtung, Studiolicht, Funkstrecke mit Headset oder Ansteck-Mikrofon, Stehtisch und vier zusätzliche Bildschirme, Mischpult und Stream Deck, zusätzliche Audiostrecke über Bluetooth (zur Überprüfung des eigenen Tons).

Setting

Ein solches Set-up ist natürlich recht aufwendig, nicht jeder Trainer wird sich das zu Hause ins Wohnzimmer stellen. Aber wenn Sie regelmäßig Live-Online-Trainings veranstalten, ist der Aufwand sinnvoll. Einige HR-Abteilungen haben bereits begonnen, dieses oder ein ähnliches Set-up fest im Headquarter und an einzelnen Standorten sowie internen Akademien zu installieren und auch mobile Lösungen zu entwickeln.

Wenn Sie mit einem solchen Studio arbeiten, brauchen Sie natürlich viel Souveränität im Umgang mit der Technik und den Tools. Am Anfang empfiehlt es sich, einen Profi für die Technik im Studio zu haben, um etwaige Probleme sofort lösen zu können. Nach und nach schwimmen Sie sich dann frei und werden das Ganze nach einigen Wochen ähnlich souverän meistern wie ein Radiomoderator, der seine Technik selbst steuert.

Davon abgesehen haben Sie natürlich im Training Ihren technischen Moderator, der allerdings nicht für Ihr Videostudio zuständig ist, sondern für das Handling Ihres Virtual-Meeting-Tools.

Unsere klare Empfehlung an Trainer: Checken Sie Ihr technisches Set-up vor dem Live-Online-Training, indem Sie ein Test-Meeting innerhalb des Live-Online-Meeting-Tools erstellen und dieses mit der technischen Moderation durchführen. Testen Sie so alle Funktionen, die Sie einsetzen wollen.

Den digitalen Reifegrad der Teilnehmer beachten

Klären Sie mit Ihrem Kunden oder internen Auftraggeber, welchen voraussichtlichen technischen oder digitalen Reifegrad Ihre Teilnehmener haben werden. Abgeleitet daraus können Sie entscheiden, inwiefern eine Erklärung der Netiquette oder des Virtual-Meeting-Tools notwendig ist und wie Sie mit dem Thema Technikcheck umgehen. Sollten Ihre Teilnehmenden wenig bis gar keine Live-Online-Meeting-Erfahrung haben oder erstmalig an einem Live-Online-Training teilnehmen, empfiehlt es sich, einen vorgelagerten Technikcheck durchzuführen oder zumindest anzubieten.

Außerdem sollten Sie eine Erklärung mit den wichtigsten fünf Spielregeln oder Voraussetzungen, idealerweise visuell untermauert, vorab an die Teilnehmenden versenden.

Noch ein wichtiger Punkt zum Thema Status: Die meisten gängigen Virtual-Meeting-Tools erlauben es, den Teilnehmenden und dem Trainer unterschiedliche Möglichkeiten in den Funktionen des Virtual-Meeting-Tools zu geben.

Das kann gerade bei einem Live-Online-Training sehr sinnvoll sein. Denn sollte diese Unterscheidung zum Beispiel im Tool Microsoft Teams nicht getroffen werden, können auch Teilnehmende jederzeit jeden anderen innerhalb des Meetings stummschalten. Sie können sich sicher vorstellen, dass das bei einem flammenden Input, den man gerade als Trainer gibt, wenig konstruktiv wäre. Überprüfen Sie deshalb, ob Ihr Virtual-Meeting-Tool die Möglichkeit bietet, unterschiedliche Statusformen festzulegen.

Wie klärt man „Berechtigungen“?

Eine Möglichkeit ist, dass Sie als Trainingsanbieter das Live-Online-Training hosten. Das bedeutet, dass Sie die Meeting-Einladung erstellen und diese an die Teilnehmenden versenden. Sollte das Training in Microsoft Teams stattfinden, legen Sie auch dort ein Team für das Training an.

Berechtigungen

Die zweite Möglichkeit ist, dass Ihr Kunde das Live-Online-Training hostet und die Einladung verschickt. Beide Möglichkeiten haben Ihre Vor- und Nachteile. Wenn Ihr Kunde das Live-Online-Training hostet, sollten Sie auf jeden Fall vorab klären, ob Sie alle nötigen Funktionen und technischen Rechte innerhalb des Tools besitzen. Denn in den meisten Fällen werden Sie als Gast im Tool Ihres Kunden auftreten. Und damit meinen wir den tatsächlichen Status innerhalb des Tools. Dieser ist nicht immer gleichbedeutend mit einer Vollnutzbarkeit des Virtual-Meeting-Tools.

Deswegen klären Sie vorab, ob Sie innerhalb des Live-Online-Meeting-Tools Ihres Kunden alle Berechtigungen haben. Dafür empfiehlt es sich, Kontakt mit der IT-Abteilung aufzunehmen und einen kurzen Check durchzuführen. Wenn Sie selbst das Meeting hosten, besteht diese Problematik nicht. Dafür kann es aber sein, dass auf Teilnehmerseite die Anmeldung schwerer fällt oder einige Berechtigungen innerhalb des Tools fehlen. Auch dies sollten Sie vorab prüfen.

Warum ist die E-Mail-Adresse jedes Teilnehmers wichtig?

Besorgen Sie sich die E-Mail-Adressen der Teilnehmer. Allen ist natürlich bewusst, dass das Thema E-Mail im Zusammenhang mit der DSGVO ein sensibles Thema ist. Nichtsdestotrotz sollten Sie in der Vorbereitung des Live-Online-Trainings Zugang zu den E-Mail-Adressen der einzelnen Teilnehmer bekommen. Damit haben Sie während des Live-Online-Trainings jederzeit die Möglichkeit, auf einem sicheren und funktionierenden Wege mit den Teilnehmern zu kommunizieren.

Damit meinen wir nicht, dass Sie anstatt des Chats nun Ihr E-Mail-Programm nutzen sollen. Aber wenn es zum Beispiel um Trainingsmaterialien geht, die während des Live-Online-Trainings den Teilnehmern zur Verfügung gestellt werden sollen, kann es sein, dass das Virtual-Meeting-Tool Ihnen nicht die Möglichkeit bietet, PDF-, PowerPoint- oder andere Dateien zu versenden. Damit der reibungslose Ablauf des Live-Online-Trainings gewährleistet ist, sollten Sie also Zugriff auf die E-Mail-Adressen haben, um die Dokumente den Teilnehmenden entspannt per E-Mail zu schicken.

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